Naser Aldin Shah (1848 1896)
Der Kampf um Mashruteh ( Parlamentarismus )
Die Kadjaren(1796-1925)
Die glanzlose Thronbesteigung des Agha Mohammad Shah im Jahre 1796 in Tehran ist das Zeichen einer der demütigendsten Epochen der iranischen Geschichte. Es ist wohl ein Trauerspiel des Schicksals, daß der Iran in dem Jahrhundert der größter Anstrengungen und Herausforderungen von der unwürdigsten Dynastie seiner Geschichte regiert wird. Der turkmenische Stamm der Kadjaren zählt zu den sieben Stämmen der Qezelbash, den Stützen der Saffawiden bei der Gründung des neupersischen Reiches 1501. Unter den letzten der Saffawiden, Tahmaseb II Shah, erlangt der Kadjanen Fürst Fathali zum Rang des Sepahsalars, muß aber dem jungen Nadir Chan Afschar weichen. Erst nach dem Tod des legendären Nadir Shahs erlangen die Kadjanen wieder an Bedeutung. Karim Chan e Zand gelingt es, ihren Fürsten Mohammad Hassan Chan zu besiegen und seinen Sohn Agha Mohammad Chan gefangen zu nehmen. In den Wirren nach dem Tode Karim Chan e Zands gelingt es Agha Mohammad Chan aus Shiraz zu fliehen, und im Norden Irans das Kadjaren Reich zu gründen. Begabt mit außergewöhnlicher Weitsicht und größtem Ehrgeiz fehlen dem Begründer der neuen Dynastie jedes Gefühl von Mitleid und Großzügigkeit. Bis zu seiner Ermordung im Kaukasus gelingt es ihm dennoch, ganz Iran zu erobern; auch war es ihm gelungen, seine Herrschaft durch eine geschickte Administration soweit zu festigen, daß sein Neffe und Thronfolger Fathali ohne größere Mühe 1797 gekrönt werden konnte.
Seine reibungslose Thronbesteigung verdankt er seinem tüchtigen Kanzler Eetemedodoleh, den er bald ausschaltet; auch verwirft er nun endgültig die Herrschaft der Afschar im Osten Irans. Doch trotz seiner Erfolge im Iran zeigt er sich in der Außenpolitik als völlig unfähig. Seine Unkenntnis über die internationale Politik stürzt den Iran von einer Krise in die nächste. Auf Bitten der Engländer beginnt er mit einer Strafexpedition gegen die Afghanen, die zu diesem Zeitpunkt große Siege in Indien errungen und bereits Dehli erobert hatten.
Fathali Shah während einer Audienz
Der iranische Einmarsch in Afghanistan rettet die Engländer aus ihrer Bedrängnis. Auch gegen Rußland drängen die Engländer auf die Fortsetzung des Krieges. Im Vertrag von 1809 sichern die Engländer dem Shah große Unterstützung zu, und versprechen, den Iran im Krieg gegen Rußland mit Waffen und Geld zu unterstützen. Doch als der Iran Hilfe benötigt, verweigern die Engländer die zugesicherte Hilfe.
(1804-1813)
Die ersten Kämpfe beginnen 1804 um Georgien. Das Königreich, das seit langem als ein treuer Vasall des iranischen Shahs galt, nähert sich dem Land zur Zeit des Bürgerkrieges immer mehr dem Zaren. Der darauffolgende neunjährige Krieg beginnt mit großem Erfolg der iranischen Armee. Der iranische Thronfolger Abbas Mirza beweist sich bei den Kämpfen als ein Lichtblick, der sonst so ruhmlosen Kadjaren, doch wegen mangelndem Nachschub und Finanzmitteln sind die Iraner immer mehr zum Rückzug gezwungen. Zuletzt zwingen ihn Bedrohungen vom Osten des Reiches, und Kämpfe mit den Osmanen zu einem Waffenstillstand. Im Vertrag von Golestan 1813 verliert Iran Georgien, Nordazerbaijan und Teile Armeniens. Es ist die Erste von einer Reihe von Verträgen, die Iran in dem folgenden Jahrhundert wirtschaftlich ruinieren und politisch entmachten sollten. Im Osten jedoch verläuft der Krieg für den Iran weit günstiger; in den darauffolgenden Feldzügen werden Buchara, Charasm und weite Teile Afghanistans wieder erobert. Auch die Kämpfe gegen die Osmanen entscheiden sich für den Iran. Dem Prinzen, Mohammad Mirza, gelingt es, Teile Iraks und Teile Anatoliens zu erobern. Doch der Friede von Bagdad beendet den Krieg zwischen den beiden islamischen Reiche, die immer mehr von den europäischen Mächten in Bedrängnis geraten.
1826-1828
Grenzstreitigkeiten führen seit Ende des ersten Krieges zu ständigen Gefechten. Als dann immer mehr Beschwerden von der azarbaijanischen Bevölkerung über die russische Besatzung und deren Grausamkeit Tehran erreichen, fordern das Volk und die Geistlichen den Shah zum Krieg gegen die Russen auf; als sogar die schiitischen Ulema zum heiligen Krieg aufrufen, entschließt sich Fathali Shah zu einem neuen Krieg. Unter der Führung des Thronfolgers Abbas Mirza versammeln sich Freiwillige aus den entferntesten Gegenden Irans. Der Krieg beginnt mit bemerkenswerten Erfolgen der iranischen Armee; ganz Kaukasus wird wieder erobert. Begleitet vom Jubel der Bevölkerung ziehen iranische Truppen in Baku und andere Städte des Kaukasus. Wieder Mangel an Unterstützung von Seiten des Shahs, und Streitigkeiten unter seinen vielen Prinzen vereiteln diesen Erfolg; nach der Niederlage bei Arras bricht die iranische Front zusammen. Im Frieden von Turkmentschei verliert der Iran das Land nördlich von Arras und wird zur Zahlung hoher Reparationen gezwungen. Doch diese Niederlage wiegt schwerer- es ist seit Nadir Shah die erste große Niederlage der Iraner gegenüber einer fremden Macht. Die Iraner verlieren bei Turkmentschei ihr Selbstvertrauen. Ihnen fehlen in diesem Krieg moderne Waffen und Militärführung. Die dazu notwendigen Mittel verwendet der Shah lieber für den Unterhalt seines überdimensionalen Harems und für seine Nachkommen (insgesamt über 250 Kinder)
Fathali stirbt 1834 nur ein Jahr nach dem Tod seines reformfreudigen Thronfolgers Abbas Mirza. Seine 37jährige Herrschaft wandelt Iran von asiatischer Macht zu einem geschwächten Staat.
Ihm folgt sein Enkel, Abbas Mirzas Sohn, Mohammad Shah auf den Thron. Doch ihm fehlt es, wie bei seinem Großvater, die Einsicht für die Reformierung und Weiterentwicklung Irans. Nach dem er seine Herrschaft mit Hilfe seines fähigen Kanzlers Ghaem Magane Farahani (1834-1848) gesichert hat, läßt er diesen weitsichtigen Gelehrten, der schon unter Abbas Mirza die Reformen in Azarbaijan erfolgreich durchgeführt hatte, ermorden und ernennt einen ungebildeten Geistlichen zum Kanzler. Damit enden auch die Reformbemühungen, die unter Abbas Mirza begonnen hatten. Zu den wichtigsten Ereignissen unter Mohammad Shah zählen der erste iranisch- englische Krieg, die für den Iran die Anerkennung des Staates Afghanistan und den Rückzug aus Herat zur Folge hat (die Engländer nutzen Afghanistan als einen Pufferstaat), sowie die Flucht des Agha Chans, Führer er Ismailitten nach Indien, und die Bildung der Bahai Sekte. Mohammad Shah war wegen seiner Sanftheit und Kurzsichtigkeit nicht der Mann, der den Iran für die kommende Herausforderung hätte vorbereiten können. Die unter seinem Vater angefangenen Reformen werden zurück gedrängt oder bestehen nur in Azarbaijan fort.
Naser Aldin Shah (1848 1896)
Mit nur 16 Jahren wird er nach dem Tod seines Vaters zum König gekrönt. Mit seiner 48jährigen Herrschaft prägt er am stärksten das Iran der Kadjaren. Seine erfolgreiche Krönung verdankt er seinem Kanzler Mirza Taghi Chan, genannt Amirkabir, einem Schüler des Farahanis. Er gilt als eine der hervorragendsten Persönlichkeiten der iranischen Geschichte. In seiner kurzen Regierungszeit- drei Jahre und drei Monate- führt er mehr Reformen aus als in der gesamten Kadjarenzeit. Er reformiert das Steuer und Verwaltungswesen ,begründet die erste moderne Hochschule Irans. Seine Reformen vom Erziehungswesen bis hin zur Stadtplanung verleihen dem Iran einen neuen Glanz. Doch wieder einmal gewinnen die konservativen Kräfte im Land. Der weitsichtige Kanzler, der sein Leben der Wiederauferstehung Irans gewidmet und auf diesem Wege große Erfolge verzeichnen konnte, wird vom Shah abgesetzt und später ermordet. Seine unfähigen Nachfolger bemühen sich um die Revidierung seiner Politik, und so gerät Iran 1852 wieder in Verschlafenheit. Diese Nachlässigkeit sollte sich bald für den Iran als teuer erweisen. 1856 überfallen die Briten den Süden Irans und zwingen den Shah zum Rückzug aus Afghanistan. In dem Vertrag vom Paris 1857 muß dann der Iran endgültig die Unabhängigkeit Afghanistans anerkennen. Auch gegenüber den Russen im Nordosten in Mawarannahr müssen weitere Gebietsverluste hin genommen werden. Nach Samarkand, Buchara und Charasm annektieren die Russen 1848 die Stadt Merw, die einstige Hauptstadt Irans.
Motahari Mosque in Tehran (19Jh.)
Spät erkennt der Shah seinen Fehler durch die Berufung des Reformers Hossain Chan zum Premier zu beheben. Dieser verkauft 1872 umfangreiche Wirtschaftskonzessionen an einen englischen Baron de Reuter, was einem wirtschaftlichen Ausverkauf Irans gleichkommt. Doch unter dem öffentlichem Druck muß er 1873 die Konzession für ungültig erklären. Nach der Absetzung Hossain Chan beginnt unter seinem unfähigem Nachfolger der Ausverkauf Irans im Namen der Modernisierung. Aber selbst die zaghaften Bestrebungen des Shahs in dieser Richtung dienen der Einführung europäischer Bequemlichkeiten und Luxusgüter, aber nicht der Weiterentwicklung von Wissenschaft und Technik. Auch die extravaganten Reisen des Shahs nach Europa sollten ihm wenig Anlaß zu ernsthaften Reformen geben. Doch die Berührungen mit dem Westen erwecken auch Forderungen nach politischer Freiheit, Rechtssicherheit und Mitbestimmung des Volkes. Der wachsende Widerstand der Bevölkerung und der Geistlichen gegen den Ausverkauf Irans zeigt sich in dem Widerstand gegen den Verkauf von Tabakkonzessionen an einen Engländer. Es ist das erste Zeichen eines wachsenden Interesses und Mitbestimmungswillen des Volkes. Es ist vor allem der Klerus, die sich als Sprachrohr der einfachen Bevölkerung gegen die Verwestlichung des Landes und dem steigenden Einfluß der europäischen Mächte im Iran wendet. Zu ihnen gehört Seid Djallaledine Estedabadi (bekannt als afghani) der wohl berühmteste islamische Theologe des 19. Jh. Er reist nach seiner Ausweisung aus dem Iran durch die islamischen Staaten. Überall wirbt er für die Rückbesinnung auf die eigenen Traditionen und die Übernahme wissenschaftliche Errungenschaften aus dem Westen. Von seinem osmanischen Exil kritisiert er die nachgiebige Haltung des Shahs gegenüber der europäischen Mächte; geht dabei soweit, daß er offen zum Widerstand aufruft. Durch die Hand eines seiner Schüler stirbt auch Naser Aldin Shah 1896.
Ihm folgt sein weltfremder und verweichlichter Sohn Mozaffar Aldin Shah auf den Pfauenthron. Zu dieser Zeit zeigt sich die Schwäche des Landes völligst und sein Ausverkauf kennt keine Grenzen mehr. Aber spürbarer wird nun auch Reformwillen unter den Intellektuellen und Geistlichen, die dann zu der Einführung der Maschruteh (konstitutionelle Monarchie) im Iran führen. Nur fünf Tage vor seinem Tod im Januar 1907 erkennt der Shah die Maschruteh an.
Der Kampf um Mashruteh ( Parlamentarismus )
Dem jungen iranischen Parlament begegnet sein Nachfolger Mohammad Ali Shah mit äußerster Härte. Als die Abgeordneten der Auflösung des Parlaments widerstehen, läßt der Shah das Parlamentsgebäude Juni 1908 unter Kanonenbeschuß nehmen. Zahlreiche Freiheitskämpfer sterben oder werden verhaftet. Diese Nachricht ruft im ganzen Land Empörung hervor. Der offene Konflikt zwischen der Krone und dem Parlament ist ausgebrochen. Nach dem heroischen Widerstand im azarbaijanischen Tabriz werden die Regierungstruppen überall zurückgeschlagen, und die Schlacht von Badanak bei Tehran beschert den Parlamentaristen den Sieg. Mohammad Ali Shah flieht in das russische Konsulat und dankt ab.
Sein zwölfjähriger Sohn, Ahmad Shah, wird zum König gekrönt, der in seiner sechszehnjähriger Herrschaft die Krönung der Unfähigkeit der Kadjanen sein sollte. Bereits am 31.08.1907 hatten der Zar und die Briten im Vertrag von Sankt Petersburg den Iran in zwei Einflußgebiete aufgeteilt. Die Russen bekamen den Norden und die Engländer den Südosten (ironischer Weise wurde das Erdöl 1908 im neutralen Gebiet entdeckt), war Iran bis dahin von den zwei Mächten ausgebeutet und ausgeblutet, besetzten mit dem Vertrag nun auch ihre Truppen das Land. Vor allem die Russen, die im Parlament eine wirksame Waffe gegen ihre Willkürpolitik im Iran sehen, unterstützen konservative Kräfte, und als diese zurückgeschlagen werden, beginnen sie mit Überfällen im iranischen Norden. So zerstören russische Truppen1912 in Mashad die iranischen Heiligtümer, und massakrieren in Azarbaijan zahlreiche Parlamentaristen. Nur mühsam gelingt es dem Parlament, Iran aus der düstersten Periode seiner Geschichte zu retten. So beauftragt 1911 das Parlament den amerikanischen Finanzexperten Shuster mit der Sanierung des Finanzhaushaltes. Auf seine ersten Erfolge reagieren die Russen und die Engländer, die ihre Machtstellung gefährdet sehen, mit einem Ultimatum und verlangen seine Entlassung. Das Parlament beugt sich nicht ihren Forderungen. Doch durch den Einmarsch russischen Truppen wird das Parlament aufgelöst, und Shuster entlassen.
Ein Jahr später 1912 wird die britische Flotte von Kohle auf Öl umgestellt. Jetzt gerät der Iran durch seine ertragreichen und strategisch bedeutsamen Erdölquellen im Mittelpunkt englischer Interessen. Die Engländer besetzten den Süden Irans und beuten für Jahrzehnte das Land aus.
1914 beginnt der Erste Weltkrieg. Trotz großer Sympathie für einen Kriegseintritt auf Seiten der Achsenmächte gegen dem verhaßten England und Rußland, gelingt es dem Parlament den Kurs der Neutralität zu wahren. Trotz der Neutralität besetzten russische und englische Truppen das Land und verwandeln sie bald zu ihrem Schlachtfeld. Mit der Revolution in Rußland beginnen die Engländer, die seit 100 Jahren aus Sorge um Indien den Zerfall Irans gefördert hatten, mit einer neuen Demütigung für den Iran. Um ihre lebensnotwendigen Erdöllieferungen aus dem Iran (die ersten aus dem persischen Golf) zu sichern, bemühen sie sich um die Einbeziehung Irans in ihr Imperium.
So schließt der britische Außenminister Lord Curzon 1919, hinter dem Rücken des Shahs, des Parlaments und des Volkes mit drei bestechlichen iranischen Politikern einen Geheimvertrag, der Iran zum englischen Protektorat machen sollte. Das Imperium sichert den Unterzeichnern, drei Kadjaren Prinzen, Schutz und hohe Provisionen. Das Bekanntwerden des Vertrags löst im Iran eine unerwartete Welle der Empörung aus. Das iranische Volk ist den Demütigungen der Engländern müde. Das Parlament lehnt den Vertrag als verfassungswidrig ab. Auch die Amerikaner, die sich spätestens seit 1907 als ein Freund Irans erwiesen hatten, wehren sich gegen den Untergangdes Landes. Schließlich erklärt der neugegründete Völkerbund, gleich in seiner ersten Sitzung, den Vertrag für ungültig.
Unterdessen erschüttert eine Krise nach der anderen das Land; Unruhen und Aufstände verwüsten das Land. Die Regierung, gar jeglicher finanzieller und militärischer Mittel, ist machtlos. Und der Shah kann es kaum abwarten, wieder nach Paris zu reisen und sich in Vergnügungen zu stürzen.
Autor: Arash Moghaddam Alvandi